Beim Studium von Zeitgeschichte und Geschichtsdidaktik hatte ich viel mit ihm zu tun: Joachim Rohlfes. Rohlfes war ein Praktiker, ebenso wie mein Ausbilder Professor de Buhr. Eigentlich bildeten beide für die Schule aus, aber damals wurden Geschichtslehrer und Sozialwissenschaftler nicht eingestellt.
Weil ich danach immer nur Erwachsene qualifizierte und es nie um das Thema Geschichte ging, verblaßte die Erinnerung. Der Weg durch die Berufswelt formte dann mein Verständnis von Schulung. Doch Rohlfes didaktisches Verständnis saß offenbar gut versteckt in meinem Unterbewußtsein.
Als ich merkte, daß Texte zum Dokumentieren nicht reichen, kam ich zur Fotografie, genauer zur sozialdokumentarischen Fotografie.
Und Jahre später nach vielen Erfahrungen mit dem Fotografieren stieß ich wieder auf Joachim Rohlfes, mittlerweile in einem erneuerten Buch. Dort fand ich die Formulierung, die den Rahmen und das Scharnier für die Schnittmenge von Geschichte und Dokumentarfotografie definiert.
Ich finde diese Gedanken so gut, daß ich Sie hier noch einmal wiedergebe:
„Der gute Fotograf fängt auch Atmosphärisches, Physiognomische ein, hierin dem Maler verwandt, der Zusammenhänge und Sinnbezüge aufdeckt, die ihre „innere Wahrheit“ in sich tragen.
Dies bedeutet aber gleichzeitig, daß auch die vermeintlich so sachlich-neutrale Fotografie subjektive Züge trägt, daß ihre Einstellungen (im wörtlichen und übertragenen Sinn) und Absichten im Spiel sind, die die Möglichkeit von Verfälschung und Manipulation einschließen.
Fotos sind stets Ausschnitte aus einem größeren Ganzen und zwar in räumlicher und zeitlicher Hinsicht: Sie zeigen die Menschen und die Dinge immer nur von einer Seite und sie sind Momentaufnahmen, deren Vorher und Nachher im Dunkeln bleibt. …
Mit Fotos hat man darum nicht weniger kritisch umzugehen als mit anderen Quellen. Das Hauptproblem steckt aber nicht in der einzelnen Aufnahme als solcher. Zwar muß man auch hier vor Fälschungen auf der Hut sein und die Perspektivität jeder Aufnahme im Blick haben – was aber nichts daran ändert, daß die Wirklichkeitsnähe einer Fotografie prinzipiell von keiner anderen Quellengattung übertroffen wird.
Die Gretchenfrage ist vielmehr wie typisch oder untypisch die Aufnahme für das ist, was sie zu dokumentieren vorgibt.“
In diesem kleinen Absatz ist wirklich alles drin.